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Bodengesundheit ist die Grundlage der Landwirtschaft und damit eine entscheidende Voraussetzung für die Ernährung der Menschheit. Minhaj Ameen vom Agroecology Fund erklärt, wie dieses Ziel erreicht werden kann.
Welche Rolle spielt der Boden im globalen agroökologischen Gleichgewicht?
Minhaj Ameen: Die oberste Erdschicht, also etwa die obersten acht bis zehn Zentimeter, ist essenziell für alles Leben an Land. Sie ist der Ursprung des Leben auf dem Festland. Ohne fruchtbaren Boden kann die Menschheit vielleicht überleben – aber nur sehr fragil und gefährdet. Das Leben im Meer könnte weiterbestehen, aber an Land ist diese Bodenschicht schlichtweg lebensspendend.
Mein Eindruck ist, dass viele Menschen inzwischen verstehen, dass sich etwas ändern muss, um unsere Böden zu erhalten. Aber welche innovativen Ansätze fallen Ihnen ein, um diese Transformation umzusetzen?
Wir leben in einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung, in der jeder Wert schaffen muss, um bestehen zu können. Solange der Schutz des Bodens keinen wirtschaftlichen Wert hat, wird er immer nur über Fördermittel und Subventionen finanziert. Und das ist auf Dauer nicht tragfähig. Wir müssen also ein Belohnungssystem schaffen – für alle Beteiligten, die zum Bodenschutz beitragen. Ähnlich wie bei den erneuerbaren Energien in Deutschland: Wer sich Solarpanels aufs Dach montiert hat, wurde belohnt. Die Industrie bekam Fördermittel für Forschung und Entwicklung – und siehe da, das Ganze hat sich durchgesetzt.
Der Schlüssel zu einer Verhaltensänderung war die Belohnung.
Wenn wir es also schaffen, Landwirtinnen und Landwirte als zentrale Akteure gezielt zu belohnen – und nicht nur sie – sondern auch die unterstützenden Systeme, dann kann sich das Verhalten ändern und wir kommen schneller voran.
Würde das nicht bedeuten, dass wir noch mehr Subventionen brauchen?
Man muss die Rechnung immer wieder neu aufstellen, denn die Rahmenbedingungen ändern sich ständig. Aber mein Gefühl sagt mir: Viele der heutigen Subventionen – nicht nur an Landwirtinnen und Landwirte, sondern entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Ernährungssystem – könnten sinnvoll umgeschichtet werden. Das allein würde bereits eine große Wirkung haben. Vielleicht wird es kurzfristig einen Mehrbedarf an Geldern geben. Aber langfristig nicht zu handeln, gefährdet das gesamte Ernährungssystem der Menschheit. Wissenschaftlich ist klar: Wenn der Boden weiter verarmt, sinken die Erträge. Wenn die Erosion weiter voranschreitet, wird es immer schwieriger, die Welt zu ernähren. Wenn wir aber frühzeitig umsteuern, sparen wir langfristig sogar Geld. Aber diese Rechnung macht aktuell niemand und genau das sollten wir ändern. Wir sollten zeigen, dass ein Umsteuern heute schon langfristig Kosten spart – für Menschen weltweit.
Was sind die größten Hindernisse? Subventionen haben schließlich eine lange Tradition.
Es gibt ein paar zentrale Herausforderungen. Eine davon: Wir hängen immer noch stark am Paradigma der „Grünen Revolution“. Viele Politiker*innen sowie Verwaltungen wollen davon nicht abweichen – aus Sorge, das könne kurzfristig zu einer Ernährungskrise führen. Deshalb sind sie vorsichtig. Wir müssen schrittweise vorgehen und mit belastbaren Daten Vertrauen aufbauen, um gemeinsam die nötigen Veränderungen umzusetzen. Das erste Hindernis ist also die Angst. Das zweite große Hindernis sind die Eigeninteressen. Und die sind sehr stark.
Was genau meinen Sie damit?
Es geht dabei nicht um bösen Willen. Wenn mein Einkommen vom Verkauf von Düngemitteln oder Agrarchemikalien abhängt, dann werde ich dieses System natürlich verteidigen – genauso wie die Tabakindustrie früher das Rauchen verteidigt hat. Solche Interessenkonflikte sind ein großes Hindernis. Um sie zu überwinden, braucht es politischen Willen.
Die dritte große Herausforderung ist die Verhaltensänderung für Verbraucher*innen wie uns. Selbst einfache Dinge wie mehr Sport zu treiben, kosten uns Überwindung. Für Landwirtinnen und Landwirte ist es noch viel schwieriger: Eine grundlegende Umstellung ihrer Arbeitsweise bedeutet enorme Anstrengungen, möglicherweise mehr körperliche Arbeit, ein Umdenken und vielleicht auch Einkommensverluste. Wenn dieser Wandel nicht aktiv unterstützt wird, ist er kaum zu stemmen.
Kann dabei auch traditionelles Wissen, etwa von indigenen Gemeinschaften, eine Rolle spielen?
Indigene Traditionen können uns ein gutes Stück weit bringen. Aber indigene Traditionen, kombiniert mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Bodengesundheit und kontextgerechten Technologien, können uns noch weiter bringen. Lokales Wissen muss mit Technologien verknüpft werden – und diese Technologien müssen wiederum so gestaltet sein, dass sie das lokale Wissen unterstützen. Manche Traditionen stimmen möglicherweise nicht mit unserem heutigen wissenschaftlichen Verständnis überein. Viele jedoch haben ihren Wert über Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte hinweg bewiesen und basieren auf einer Art empirischer Wissenschaft – auf Versuch und Irrtum. Wenn wir diese durch moderne wissenschaftliche Erkenntnisse ergänzen, können wir sehr viel erreichen.
Für Veränderungen braucht es also Fakten und Daten.
Ganz genau.
Lässt sich der Zustand des Bodens denn heute wissenschaftlich erfassen und überwachen?
Die Technologien zur Bodenanalyse werden immer besser. Es gibt Geräte, mit denen man vor Ort und in Echtzeit Bodenproben analysieren kann. Allein durch ein spektroskopisches Bild erhält man schon viele Informationen über den Boden. Diese Technik wird zunehmend günstiger und vielleicht bald sogar als Smartphone-Anwendung verfügbar sein. Solche Instrumente sind entscheidend für die Bodenbewertung, denn sie ermöglichen gezielte Maßnahmen – etwa hinsichtlich Feuchtigkeit, Nährstoffgehalt oder anderer Parameter.
Genau hier kommt die Verbindung aus moderner Wissenschaft und traditionellem Wissen zum Tragen.
Viele Akteure wissen, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann – Politik, Wirtschaft, Forschung, Zivilgesellschaft. Aber was müssen sie wirklich verstehen, um wirksam handeln zu können?
Die entscheidende Frage ist: Wer übernimmt die Verantwortung? Märkte funktionieren nach dem Prinzip wirtschaftlicher Effizienz. Wenn ein Unternehmen auf Umweltverträglichkeit achtet, die Konkurrenz aber nicht, ist es im Nachteil. Deshalb braucht es politischen Willen und einen klaren politischen Rahmen, der für alle gilt – und damit gleiche Wettbewerbsbedingungen schafft. Nur dann können auch Unternehmen mitziehen, selbst wenn sie wissen, dass das aktuelle System nicht zukunftsfähig ist. Dieser Rahmen muss in enger Abstimmung mit der Zivilgesellschaft, mit Unternehmen und Akteuren vor Ort entwickelt werden. Aber irgendwer muss das Ganze auch finanzieren – etwa über Steuern oder Unternehmensgewinne. Wichtig ist: Es braucht kollektive Finanzierung und langfristige Investitionenbis die Transformation abgeschlossen ist.