Newsletter-Anmeldung
Verpassen Sie nichts!
Wir versorgen Sie regelmäßig mit den wichtigsten Neuigkeiten, Artikeln, Themen, Projekten und Ideen für EINEWELT ohne Hunger.
Newsletter-Anmeldung
Verpassen Sie nichts!
Wir versorgen Sie regelmäßig mit den wichtigsten Neuigkeiten, Artikeln, Themen, Projekten und Ideen für EINEWELT ohne Hunger.
Bitte beachten Sie unsere Datenschutzerklärung.
Die internationale Bodenkonferenz „Partners for Change – SOILutions for a Food Secure, Resilient, and Sustainable Future“ hat vom 20. bis zum 22. Mai knapp 150 verschiedene Akteure in Berlin zusammengebracht. Ihr Ziel: Bestehende Schutzprogramme bilanzieren und einen Weg in die Zukunft ebnen.
Die Böden dieser Erde haben ein Problem. Hätten sie die Stimme eines Menschen, hörte man einen einzigen Schrei. „Dabei sprechen sie zu uns“, sagt eine Frau in einem grauschwarzen Saal. „Nur hören wir nicht zu.“ Junnie R. Wangari ist selbst kaum zu verstehen, hier in der Halle in Berlin, wo die Vorsitzende des organischen Düngemittelverbands Ofiak aus Kenia gemeinsam mit rund 150 Expertinnen und Experten zusammengekommen ist, um Bilanz zu ziehen: Wie geht es den Böden weltweit? Welche Wirkung hatten bisherige Schutzmaßnahnahmen – und was ist künftig zu tun? Fragen, denen die internationale Konferenz „Partners for Change – SOILutions for a Food Secure, Resilient, and Sustainable Future“ drei Tage lang in Berlin auf den Grund geht; es geht um die Rolle von Böden für nachhaltige Landwirtschaft und Ernährungssysteme. Zusammengekommen sind Vertreter*innen von Regierungen, internationalen Organisationen, Thinktanks, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und aus der Wirtschaft. Dazu eingeladen hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), gemeinsam mit der EU-Kommission und der Gates Foundation.
„Wir sind hier, um Ideen zu finden“, sagt Moderator Baba Dodo auf der Bühne, „um Wissen zur Anwendung zu bringen“. Flugs teilen sich die zwölf Dutzend in Kleingruppen auf und beraten sich. Denn die Ausgangslage verlangt nach Handeln. Die Weltbevölkerung steigt, und aktuell auch der Hunger. Dabei geben die Böden immer weniger für landwirtschaftliche Ernten her. Eine Lose-Lose-Situation. Allein die Bodendegradation, die Verschlechterung seiner Qualität, sorgt seit 1945 für eine davon betroffene Fläche von weltweit mehr als 1,2 Milliarden Hektar – das entspricht der gemeinsamen Landfläche von China und Indien. Klimawandel und damit einhergehendes Extremwetter durch Dürre oder Überflutungen, aber auch die extensive Landwirtschaft machen den Böden zu schaffen; dabei sind sie mehr gefragt denn je. Den Ton für die SOILutions-Konferenz hatte gleich zu Beginn Niels Annen vorgegeben: „Bodenschutz ist ein strategischer Hebel für mehrere Ziele nachhaltiger Entwicklung“, sagte der BMZ-Staatssekretär.
„Auf degradierten Böden kann man den Hunger nicht beenden.“, so Staatssekretär Niels Annen.
Außerdem speicherten gesunde Böden Kohlenstoff und würden bei der Anpassung an Klimaschocks helfen. Zeit also für einen Turnaround hin zu einer Win-Win-Situation.
In den Kleingruppen haben die von allen Kontinenten Entsandten jetzt 15 Minuten Zeit, um befähigende Faktoren zu ermitteln. In Gruppe 1 haben sich Vertreter*innen der Zivilgesellschaften versammelt. „Wir sind bei Entscheidungsprozessen mittlerweile immer dabei, aber nicht richtig“, sagt einer von ihnen. „Wir brauchen genuine Partizipation und nicht nur einer Consulting-Rolle“, ergänzt eine andere. „Und was, wenn die politischen Strukturen eines Landes nicht demokratisch sind?“, fragt ein dritter. „Dann sollte man auf lokaler Ebene ansetzen.“ Den Teppich, grauschwarz wie die Wände, zieren helle Streifen wie zu einem unübersichtlichen Wegenetz miteinander verbunden.
Eine persönliche Sicht auf Böden teilt Elisabeth Nsimadala. „In der Bibel steht, der Mensch wurde aus Erde erschaffen“, sagt die Bäuerin und Präsidentin der Eastern Africa Farmers Federation. „Wir leben auf ihr und nach unserem Tod kehren wir zu ihr zurück.“ Noch vor zehn Jahren habe sie auf ihrem Acker Bohnen nur auswerfen müssen, „und dann erntete ich – ohne irgendeinen Düngereinsatz. Das ist vorbei.“ Die Böden seien aufgrund der landwirtschaftlichen Praktiken, meist Monokultur, degradiert. „Die Auswirkungen des Klimawandels haben die ohnehin schon schlimme Situation noch verschlimmert.“ Sie setz daheim mittlerweile auf tierischen Dünger, Mulchen, Fruchtfolgen, Anbau von Deckfrüchten, Zwischenfruchtanbau mit Leguminosen und Agroforstwirtschaft. „Das weist alles in die richtige Richtung. Nur ist es arbeitsintensiv. Daher brauchen wir neue Strategien, die durch effektive Innovationen und Technologien diesen Einsatz reduzieren.“
Auf dem Podium stellen die Kleingruppen nun die Ergebnisse ihres viertelstündigen Brainstormings vor. „Der politische Wille zur Transformation muss aus der Bevölkerung heraus forciert werden“, fasst eine Frau zusammen. Hinten links nickt ein Mann hinter seinem Tablet, es liegt auf einem Ständer. Professor Amos Kabo-Bah steht an der Schnittstelle zwischen Umweltkrise und Hoffnung. Als Mitglied des Programmausschusses der Group on Earth Observations (GEO) - einer zwischenstaatlichen Organisation, die die Verfügbarkeit und Nutzung von Erdbeobachtungsdaten verbessert - und als Professor für Bau- und Umwelttechnik an der University of Energy and Natural Resources (UENR) in Sunyani, Ghana, ist er Zeuge sowohl der Schönheit als auch der Verwüstung des sich verändernden Planeten.
„Auf den ersten Blick ist alles friedlich blau“, sagt er. „Doch der zweite Blick ist immer mehr alarmierend.“ Von oben zeige sich eine beunruhigende Realität: riesige zerstörte Waldgebiete, Landschaften durch intensiven Bergbau verunstaltet. „Allein für Handys und Elektroautos wird so viel Erde benötigt, dass der rasante Abbau eklatante Spuren in unserer Umwelt hinterlässt.“ Diese nackte Realität treibe seine Arbeit als Ko-Vorsitzender des GEO Flaggschiffs Land Degradation Neutrality (GEO LDN) an. „Wir bauen wichtige Kapazitäten auf, um ein neues Verständnis für die Bewirtschaftung jedes einzelnen Pixels unseres Landes zu entwickeln“, sagt er, „denn unsere eigentliche Herausforderung ist ebenso einfach wie komplex: Wie können wir Lebensmittel anbauen und die industrielle Entwicklung aufrechterhalten und gleichzeitig die Umwelt erhalten, die uns alle ernährt?“ Die Antwort, sagt er, liege unter unseren Füßen.
„Die Gesundheit der Böden ist das Lebenselixier unserer Entwicklung und damit eine dringende Verantwortung, der sich jeder stellen muss. Wir müssen unsere Böden bewahren, unser Land schützen und unsere gemeinsame Zukunft für unsere Kinder sichern. Schließlich sind gesunde Böden und Flächen die beste Versicherung für eine gesunde Bevölkerung.“
Für die Abholzung von Wäldern und die Zerstörung der Umwelt müsse, wie für das illegale Parken, ein Preis gezahlt werden muss. Aber er sieht auch Wege nach vorn durch Modellbetriebe, in denen agrarökologische Methoden demonstriert und Wissen praktisch weitergegeben wird. „Bei GEO arbeiten wir daran, dieses Wissen in einer standardisierten Form verfügbar zu machen“, sagt er. Die Herausforderung sei groß: Die Datenquellen über die landwirtschaftliche Produktion und die Auswirkungen auf die Böden seien in den verschiedenen Regionen der Welt sehr unterschiedlich. „Wir entwickeln Methoden, die universell angewendet werden können – überall und für jeden“. Diese Arbeit, sagt er, gehe über den technischen Fortschritt hinaus. „Sie steht für unser Engagement dafür, dass eine nachhaltige Bodenbewirtschaftung für jede Gemeinschaft, jede Nation und jede künftige Generation Realität wird.“ Denn letztendlich bedeute der Schutz unserer Böden, dass wir uns selbst schützen.
Am späten Nachmittag schnappt sich eine Frau eine Handvoll Nüsse, bevor sie zum nächsten Panel geht. „Boden ist wie eine Mutter“, sagt Janet Maro, „er ernährt uns alle.“ Maro hat die Organisation Sustainable Agriculture Tanzania (SAT) mitgegründet, sie engagiert sich in der Fortbildung von Bäuerinnen und Bauern.
„Schauen Sie sich allein eine Handvoll Erde an: Sie hat mehr Mikro- und Makroorganismen als es Menschen auf diesem Planeten gibt – all die Bakterien und Pilze“, so Janet Maro.
Für Maro sind dies Grundlagen für Nährstoffe, und unternehmen könne man eine Menge. „Hier ein Beispiel: In den Uluguru-Bergen Tansanias hatten die Bäuerinnen und Bauern eines Dorfes ihre Felder verlassen, weil sie keine Ernten mehr hergaben – sie zogen nach oben und holzten Wälder ab.“ Für sie keine nachhaltige Lösung, also begutachtete Maro mit ein paar Mitarbeitenden die leeren Felder, kompostierte sie, lockerte den Boden auf. „Im ersten Jahr pflanzten wir Crotalaria. Tatsächlich wuchs der Hülsenfrüchtler keine 30 Zentimeter hoch.“ Für die zweite Saison änderten sie die Fruchtfolge, „und wenig später reichte die Crotolaria zu meinem Kopf.“ Die Bäuerinnen und Bauern kehrten von den Bergwäldern wieder zurück; eine Lösung, die überall anwendbar und skalierbar sei, so die Agrarwissenschaftlerin. „Das muss von der Politik angetrieben werden“, sagt sie zu den Trainings. „Es macht keinen Sinn, auf chemiebasierte Dünger zu setzen, die den Böden schaden und unnötig Geld kosten.“ Allein während der Corona-Epidemie, als unterbrochene Handelswege den Zugriff auf Kunstdünger erschwerten, habe man den Wert des „echten organischen Düngers erkannt, den jeder haben kann“.
Diese Thematik kennt auch Junnie R. Wangari, die Vorsitzende des kenianischen Verbands für organische Düngemittelherstellung. „Zuerst wussten es die Bäuerinnen und Bauern, dann die Wissenschaftler*innen und nun weiß eigentlich auch die Politik. Der Boden muss organisch gepflegt werden, anstatt ihn chemisch auszubeuten“, sagt sie. „Wir müssen die Politik ins Handeln kriegen, um die Menschheit zu retten.“ Wangari sieht weitere Chancen in besserem Wassermanagement, in optimierten Speichersystemen, in klimaangepassten Pflanzen – und in einer Minimierung von chemisch basierten Pestiziden. „Offiziell werden nur Blätter besprüht“, sagt sie, „aber mit dem Regen gelangen die Substanzen in den Boden und töten dort Organismen“. Kritisch sieht sie Subventionen für chemisch basierte Düngerstoffe und Pestizide. „Kurzfristig sichert das eine Ernte. Langfristig zerstört es die Grundlagen eines jeden Anbaus.“ Ferner sieht Wangari Perspektiven für eine Transformation gerade bei Kleinbäuerinnen und Kleinbauern. „Zum einen, weil es sehr viele sind: In Kenia werden bis zu 80 Prozent unserer Lebensmittel von ihnen produziert. Und zum anderen sind sie flexibler. Wenn wir sie überzeugen, Fruchtfolgen einzuführen, reagieren sie schneller als große Betriebe. Die stehen wegen ihrer Mechanisierung einer Diversifizierung skeptischer gegenüber.“
Nebenan sitzt Dhanush Dinesh. Der Chief Climate Catalyst der Organisation Clim Eat fügt hinzu: „Dünger trägt rund zwei Prozent der weltweiten Emissionen.“ Er wolle chemisch basierten Dünger nicht grundsätzlich verdammen, „aus einigen afrikanischen Ländern höre ich, dass sie ihn brauchen. Aber alle sind sich einig, dass sein Einsatz weltweit reduziert werden sollte und könnte.“
Ausbaufähiges Potenzial sieht Dinesh in alten Traditionen landwirtschaftlicher Praxis. „Die sind regional ausgefeilt und über viele Generationen hinweg erfolgserprobt. Warum sollte man auf diesen Schatz verzichten?“
Er sieht gerade in der Kombination indigener Erfahrungen und moderner Technologie einen gangbaren Weg. „Traditionelle Methoden allein mögen nicht die Weltbevölkerung ernähren, aber sie dienen der Bodengesundheit. Dafür könnte es finanzielle Anreize geben.“
Langsam leert sich der Saal. In der Ecke checkt ein Mann kurz die Nachrichten auf seinem Smartphone. „Landwirtschaft besteht nicht nur aus Nehmen, sondern auch aus Geben – um dann wieder nehmen zu können“, sagt Oliver Oliveros. „Böden sind elementar für die Interdependenzen unseres ökologischen Gleichgewichts.“ Einmal in Schieflage geraten, würde auch weniger produziert werden. Und eigentlich sei es für die nötige Transformation fünf vor zwölf. „Wir müssen unsere Geschwindigkeit verdoppeln und Investitionen umlenken.“ Und der Exekutiv-Koordinator der Agroecology Coalition plädiert für einen holistischen Blick auf den soziokulturellen Kontext von Landwirtschaft: „Es geht nicht nur um technologische Lösungen, sondern darum, dass diese von der jeweiligen gesamten Community angenommen und getragen werden. Nur dann schlagen sie Wurzeln.“ Letzten Endes sei es simpel: „Der Mensch ist Teil der Natur. Er schwebt nicht über ihr.“ Das Deckenlicht in diesem dunklen Saal leuchtet goldgelb.
Die Konferenz ist Teil des Partners for Change (P4C) Netzwerks. Das P4C-Netzwerk bringt globale Agenden mit konkreter Transformationserfahrung aus der Praxis zusammen. Es bietet BMZ-Kooperationspartnern aus Deutschland und den Partnerländern eine Plattform für Austausch und die gemeinsame Gestaltung von Veränderungsprozessen.